BRCA-positiv – wie verhalte ich mich gegenüber meiner Versicherung, welche rechtlichen Fragen können aufkommen?
Entschließt man sich zu einem Gentest und wird BRCA-positiv getestet, so besteht ein höheres Risiko als bei Personen, die dieses Gen nicht aufweisen, im Laufe seines Lebens an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit Trägerinnen und Träger eines veränderten BRCA-Gens von Versicherungen und in Rechtsfragen anders behandelt werden als die allgemeine Bevölkerung.
Welche Bedeutung hat das Gendiagnostik-Gesetz (GenDG) für die genetische Diagnostik bei Verdacht auf erblichen Brust-/Eierstockkrebs?
Zusammenfassung
Mit Wirkung vom 1. Februar 2010 ist das Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG) in Kraft getreten. Damit wird die Durchführung genetischer Untersuchungen erstmals gesetzlich geregelt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die unmittelbar für Patienten praktisch relevanten Aspekte
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Versicherung / rechtliche Fragen
- Benachteiligungsverbot
- Gentests und Versicherungen
- Aufklärung und Einwilligung
- Untersuchungen zu Forschungszwecken
- Verwendung und Aufbewahrung von Untersuchungsmaterial
- Verwendung und Aufbewahrung von Unterlagen und Ergebnissen
- Mitteilung von Untersuchungsergebnissen an Patienten und weitere Ärzte
- Zuordnung der genetischen Diagnostik auf erbliche Veranlagung für Brust-/Eierstockkrebs zu diagnostischen oder prädiktiven Analysen
- Durchführung genetischer Analysen
- Beratungspflicht
- Vorgeburtliche Diagnostik auf Veranlagung für erblichen Brust-/Eierstockkrebs
Benachteiligungsverbot
Zweck des GenDG ist es gemäß § 1 u.a., die Voraussetzungen für die Durchführung genetischer Untersuchungen sowie die Verwendung genetischer Proben und Daten zu definieren und eine Benachteiligung aufgrund genetischer Eigenschaften zu verhindern. Das Benachteiligungsverbot (§ 4) beschränkt sich nicht auf die gesetzliche Forderung, dass niemand „wegen seiner oder der genetischen Eigenschaften einer genetisch verwandten Person“ benachteiligt werden darf. Vielmehr darf auch die Vornahme oder Nichtvornahme einer genetischen Analyse bei sich oder einer genetisch verwandten Person oder das Ergebnis einer solchen Analyse nicht zur Benachteiligung führen.
Gentests und Versicherungen
Erstmals wird auch die Inanspruchnahme von Gentests und die Verwendung von genetischen Informationen im Kontext von Versicherungsabschlüssen (§ 18) sowie im Arbeitsleben (§§ 19-22) gesetzlich geregelt. Eine erzwungene Inanspruchnahme von Gentests sowie eine Verwendung der Ergebnisse außerhalb der vom Gesetzgeber erlaubten Rahmenbedingungen wird im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Versicherung unter Strafe gestellt (§§ 25, 26). Ein Gentest darf nur verlangt oder dessen Ergebnisse im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebens-/Berufsunfähigkeits-/Erwerbsunfähigkeits-/Pflegeversicherung verwendet werden, wenn eine Leistung von mehr als 300.000 Euro oder mehr als 30.000 Euro Jahresrente vereinbart wird.
Aufklärung und Einwilligung
Für alle Gentests schreibt der Gesetzgeber einheitlich eine ausführliche Aufklärung (§ 9) sowie eine schriftliche Einwilligung (§ 8) vor. Die Einwilligung kann jederzeit, auch mit Wirkung für die Zukunft, schriftlich oder mündlich gegenüber dem veranlassenden Arzt widerrufen werden.
Untersuchungen zu Forschungszwecken
Das Gesetz regelt die Durchführung von Analysen bezüglich genetischer Eigenschaften zu medizinischen Zwecken und zwar unabhängig davon, ob die Information über die genetische Eigenschaft an Chromosomen, DNA, RNA oder Proteinen erhoben wird (§ 3). Entscheidend ist also nicht die Untersuchungsmethodik, sondern der Untersuchungszweck. Genetische Untersuchungen zu Forschungszwecken sowie die Untersuchung nicht erblicher genetischer Veränderungen fallen nicht unter das Gesetz (§ 2). Somit fallen genetische Untersuchungen an Tumorzellen nur dann unter das GenDG, wenn vererbbare Eigenschaften wie z.B. Keimbahnmutationen (z.B. in BRCA1/2, RAD51C etc.) untersucht werden.
Verwendung und Aufbewahrung von Untersuchungsmaterial
Untersuchungsmaterial für genetische Analysen darf im Anwendungsbereich des GenDG gemäß § 13 nur für die Zwecke verwendet werden, für die es entnommen wurde. Sobald das Untersuchungsmaterial für diese Zwecke nicht mehr benötigt wird, ist es unverzüglich zu vernichten. Durch die Vernichtung des Untersuchungsmaterials nach Abschluss der Untersuchung wäre jedoch eine nachträgliche Überprüfung des Untersuchungsergebnisses - z.B. bei Verdacht auf eine Probenverwechslung oder einen Untersuchungsfehler – wie auch die spätere Untersuchung auf weitere, neu entdeckte oder bisher nicht ursächlich mit erblichem Brust-/Eierstockkrebs in Verbindung gebrachte Gene nicht möglich. Dies wäre insbesondere für diejenigen Personen und Familien ein Problem, bei denen bisher keine genetische Ursache für die vermutete genetische Veranlagung gefunden wurde. Um dem vorzubeugen, ist eine explizite schriftliche Einwilligung zur Aufbewahrung und konkreten Verwendung restlichen Untersuchungsmaterials erforderlich.
Verwendung und Aufbewahrung von Unterlagen und Ergebnissen
Während bisher medizinische Unterlagen mindestens 10 Jahre aufbewahrt werden mussten und darüber hinaus aufbewahrt werden durften, müssen die Ergebnisse genetischer Analysen im Anwendungsbereich des GenDG gemäß § 12 jetzt 10 Jahre aufbewahrt und entweder nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren oder auf Wunsch der Patienten unverzüglich vernichtet werden. Dies stellt bei erblichen Krebserkrankungen ein Problem hinsichtlich der Weitergabe medizinisch relevanter Informationen über Generationen hinweg dar. Patienten können jedoch eine längere Aufbewahrung schriftlich verlangen und dadurch regeln, dass die Angehörigen ggf. auch nach deren Tod Zugang zu den für sie relevanten Ergebnissen erhalten.
Mitteilung von Untersuchungsergebnissen an Patienten und weitere Ärzte
Das Ergebnis eines Gentests darf im Anwendungsbereich des GenDG gemäß § 11 nur dem Patienten selbst und nur durch den Arzt, der die genetische Analyse oder die genetische Beratung vor dem Gentest vorgenommen hat, mitgeteilt werden. Eine Weiterleitung der Ergebnisse an andere Ärzte / Personen ist nur mit schriftlicher und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten und nur durch den Arzt möglich, der die Untersuchung / genetische Beratung vorgenommen hat.
Zuordnung der genetischen Diagnostik auf erbliche Veranlagung für Brust-/Eierstockkrebs zu diagnostischen oder prädiktiven Analysen
Für die Anwendung des GenDG auf die genetische Diagnostik einer erblichen Veranlagung für Brust-/Eierstockkrebs ist von entscheidender Bedeutung, ob die Analyse zu diagnostischen Zwecken (zur Abklärung einer bereits bestehenden Brust-/Eierstockkrebserkrankung bzw. Abschätzung der Wirkung eines Arzneimittels zur Behandlung derselben) oder prädiktiv (zur Abklärung einer möglicherweise zukünftig auftretenden Brust-/Eierstockkrebserkrankung) durchgeführt wird. Bei einer gesunden Frau (Ratsuchende) handelt es sich bei der genetischen Diagnostik im Hinblick auf eine mögliche Veranlagung für erblichen Brust-/Eierstockkrebs (z.B. durch Analyse der Gene BRCA1, BRCA2, RAD51C wie auch anderer Gene mit geringerer Erkrankungswahrscheinlichkeit) per definitionem immer um eine prädiktive Diagnostik. Bei einer bereits an Brust- und/oder Eierstockkrebs erkrankten Frau kann diese genetische Analyse einerseits als diagnostische Untersuchung eingestuft werden, weil die Ursache einer bereits bestehenden Erkrankung abgeklärt bzw. (in der Zukunft) die Anwendbarkeit zielgerichteter (targeted) Therapien wie z.B. PARP-Inhibitoren geprüft werden soll. Andererseits lassen sich aus dem Nachweis einer pathogenen Mutation auch Aussagen über die Erkrankungswahrscheinlichkeit für die kontralaterale Brust bzw. für die Eierstöcke ableiten, weshalb diese Diagnostik meist auch bei einer bereits an Brust-/Eierstockkrebs erkrankten Frau eine prädiktive Komponente enthält. Gentests auf eine erbliche Veranlagung für Brust-/Eierstockkrebs unterliegen zumindest bei gesunden Frauen immer den (im Vergleich zu diagnostischen Untersuchungen restriktiveren) Regelungen der prädiktiven Diagnostik.
Durchführung genetischer Analysen
Diagnostische genetische Untersuchungen im Anwendungsbereich des GenDG dürfen von allen Ärzten, prädiktive (vorhersagende) genetische Untersuchungen (bei Gesunden) hingegen nur von Fachärzten für Humangenetik und anderen Fachärzten, die sich für genetische Untersuchungen qualifiziert haben, vorgenommen werden. Mit der Durchführung genetischer (Labor-)Analysen dürfen die genannten Ärzte trotz Arztvorbehalt auch andere Personen oder Einrichtungen beauftragen, z.B. Naturwissenschaftler mit entsprechender Qualifikation (Fachhumangenetiker). Ab 1.2.2011 ist die Durchführung genetischer Analysen an die Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards gebunden (§ 5).
Beratungspflicht
Das GenDG schreibt vor jedem prädiktiven (vorhersagenden) Gentest (s.o.) und zur Ergebnismitteilung desselben eine genetische Beratung vor (§ 10). Ein Patient kann auf diese genetische Beratung verzichten, muss diesen Verzicht jedoch schriftlich und nach Erhalt schriftlicher Informationen über die geplanten Beratungsinhalte erklären. Ferner schreibt das GenDG bei prädiktiven Gentests die Einhaltung einer angemessenen Bedenkzeit zwischen der genetischen Beratung vor dem Gentest und der Untersuchung vor.
Ab 1.2.2012 darf eine genetische Beratung im Anwendungsbereich des GenDG nur noch durch hierfür qualifizierte Ärzte durchgeführt werden. Die Anforderungen an die Qualifikation genetisch beratender Ärzte müssen noch geregelt werden. Fachärzte für Humangenetik und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Medizinische Genetik“ erfüllen bereits jetzt schon diese Voraussetzung.
Vorgeburtliche Diagnostik auf Veranlagung für erblichen Brust-/Eierstockkrebs
Technisch ist eine vorgeburtliche Analyse auf eine erbliche Veranlagung für Brust-/Eierstockkrebs möglich. Das GenDG (§15, Abs. 2) verbietet jedoch ausdrücklich vorgeburtliche genetische Untersuchungen, die darauf abzielen, genetische Eigenschaften des Embryos oder des Fetus für eine Erkrankung festzustellen, die nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Wissenschaft erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbricht. Dieses Verbot geht weit über die Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes hinaus, welches die (befruchtete) Eizelle nur schützt, so lange sie bzw. die daraus entstehenden Zellen als totipotent gelten.
Quelle: Dr. Simone Heidemann
Institut für Tumorgenetik Nord, Kiel
Weitere Informationen:
Blauer Ratgeber / Sozialleistungen
Deutsche Krebshilfe (02/2021) Wegweiser zu Sozialleistungen
Bundesminsterium für Gesundheit
Das Gendiagnostikgesetz
Mamma MIA! Spezialausgabe, in der 3. aktualisierten Ausgabe 2019
Sozialrechtliche Aspekte (pdf)